Das Lerntraining LeJa
Mit dem Lerntraining LeJA wird ein multimodales Behandlungskonzept für Jugendliche im Alter von 12 - 17 Jahren zur Verfügung gestellt, welches sich als Anschlussversion an das „Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern“ von Lauth & Schlottke (2009) eignet. Prof. Linderkamp und seine Doktoranten wählen einen ähnlichen Ansatz wie Doktorvater Prof. Lauth und ergänzen das Material um zahlreiche Elemente aus dem Coaching- und Selbstmanagementbereich. Das Programm greift alle wesentlichen Lebensbereiche des Jugendlichen auf, bezieht Eltern und Lehrer aktiv mit ein und verfügt über eine große Bandbreite an relevanten Inhalten aus der Lerntheorie. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und empirischen Wirksamkeitsstudien bietet das Programm ein neues therapeutisches Behandlungsmodell, speziell konzipiert für die Gruppe der Jugendlichen mit ADHS.
Aufbau und Inhalt des Buches
Das Buch ist in drei Teile gegliedert.
Im ersten Teil findet sich eine umfangreiche, wissenschaftlich ausgelegte und fundierte Erläuterung zu Ursachen, Bedingungsgefüge, Diagnostik und multimodaler Therapie des Störungsbildes ADHS. Mittels eines biopsychosozialen Bedingungsmodells werden Zusammenhänge, Risikofaktoren und Entwicklungsdimensionen dargestellt.
Es folgt eine mehrseitige Abhandlung zur Diagnostik der Störung, wobei die Autoren auf die Erfassung kardinaler Symptomatiken, kognitiver Leistungen, sozialer Kompetenzen und emotionaler Faktoren in verschiedenen Kontexten Wert legen. Auch auf die Unterschiede der Ausprägungen, Prävalenz und Persistenz bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wird hingewiesen. Sehr hilfreich und übersichtlich sind an dieser Stelle die Querverweise zu den 13 diagnostischen Fragebögen (hier Arbeitsblätter genannt) im
Anhang bzw. im kopierfreundlichen Online Material.
Im zweiten Teil des Buches, dem Behandlungsmanual, werden zunächst das Therapiekonzept als Einzeltraining vorgestellt, der Behandlungsablauf der 16 - 20 Sitzungen überblickshaft dargestellt und die Kooperation mit Schule und Familie erläutert. Als übergeordnete Ziele des Lerntrainings LeJA für Jugendliche werden zum einen die Verbesserung der Organisation der Lernsituation sowie der Aufmerksamkeitsleistungen im Prozess des Problem- und Aufgabenlösens genannt. Zum anderen soll die Selbstorganisation durch erfolgreiches Selbstmanagement verbessert werden.
Das multimodale Trainingskonzept umfasst Beziehungsgestaltung, Ressourcenaktivierung, Verstärkerverfahren, kognitive Techniken wie Selbstinstruktion und Problemlöseübungen, Organisationskompetenzen, Lerntechniken und Strategien sowie Selbstmanagement und Psychoedukation.
Die einzelnen Sitzungen sind nach einem verlässlichen Schema stets gleich aufgebaut und gliedern sich in drei Phasen:
Phase 1: Rapportaufbau, Zielsetzung, Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, Psychoedukation
Phase 2: Lernorganisation, systematisches Aufgabenlösen, Vermittlung spezifischer Lernstrategien, Selbstbekräftigung
Phase 3: Selbstmanagement, Reflexion, Transfer, Problemaktualisierung, Perspektiven
Die Autoren verweisen darauf, dass das Ablaufschema zur Orientierung dient, jedoch individuell angepasst werden kann.
Im Rahmen der Kooperation mit der Familie sind drei Elterngespräche konzipiert; zum Störungsbild ADHS, zum Erziehungsverhalten und zu Pro und Kontra der medikamentösen Behandlung. Übersichtliche Arbeitsblätter für Eltern stehen zur Verfügung.
Als wesentliches Ziel des Trainings wird der dauerhafte Transfer auf reale, insbesondere schulische Situationen ausgewiesen. Hierzu hält das Manual ein vorbereitetes, informatives Anschreiben für Lehrer, ein Arbeitsblatt zur Verhaltenseinschätzung durch die Lehrer sowie Ideen für Infoveranstaltungen bereit. Es werden wöchentliche Abstimmungen zwischen Therapeut und Lehrern über Trainingsinhalte und Progress des Jugendlichen angedacht.
Der Ablauf der einzelnen Sitzungen ist im Buch ausführlich und übersichtlich dargestellt und mit vielen Beispielen und Modellierungsdialogen versehen. Im Online Material werden die einzelnen Stunden im handlichen A4 Format überblickhaft ohne Kommentare zum Ausdrucken zur Verfügung gestellt.
Das 8. Kapitel des Buches ist der Wirksamkeit des Trainings gewidmet. Die Autoren belegen mit diesem Abschnitt ihre Aussage, dass es sich bei dem LeJA Training um das zum Zeitpunkt der Herausgabe einzige empirisch fundierte, störungsspezifische Therapiekonzept handelt.
Teil 3 des Buches, der Anhang, umfasst alle 53 Arbeitsblätter, ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Sachwortregister.
Diskussion
Das Trainingsprogramm basiert auf einer Kombination von kognitiv-verhaltenstherapeutischen Lerntraining und einem Coaching mit einem Selbstmanagementansatz.
Zur optimalen Gestaltung dieses Lern-Trainings und der therapeutischen Beziehung sollten die Anwender über fundierte Kenntnisse in den genannten Bereichen verfügen und mit Coachingmethoden vertraut sein. Somit wendet sich das Programm an Psychotherapeuten und Fachleute aus den Bereichen Sonderpädagogik, Schulpsychologie und Lerntherapie.
Das Trainingsprogramm ist in seiner Anwendung, nach einer gewissen Einarbeitungsphase, in der Praxis sehr gut anwendbar. Versierte Lern-Coaches werden einige Methoden und Ideen wiedererkennen. Klar strukturierte Handlungsanweisungen und Beispiele erleichtern die Arbeit mit diesem Material.
Die Arbeitsblätter/Kopiervorlagen, die Online verfügbar gemacht werden, sind übersichtlich und ansprechend gestaltet, leicht zu vervielfältigen und werden von den Jugendlichen gut angenommen. Dies ist kein Wunder, denn sie wurden unter Mitwirkung vieler Jugendlicher und ihrer Eltern im Vorfeld getestet und evaluiert.
Vom leicht adaptierbaren und flexiblen Training können gleichermaßen Jugendliche mit und ohne Hyperaktivität und auch Jugendliche mit keiner spezifischen ADHS Diagnose, jedoch Lern-und Verhaltensauffälligkeiten profitieren.
Ansprechend, praxisnah und hilfreich sind auch die Arbeitsblätter, die sich an Eltern und Lehrer wenden. Während die praktische Zusammenarbeit mit den Eltern gut nachvollziehbar ist, gestaltet sich die vorgeschlagene wöchentliche Zusammenarbeit mit den Lehrern des Jugendlichen in der Praxis als schwierig.
Zur Realisierung im Alltag gibt es leider keine weiteren Hinweise oder Vorschläge.
Mein Resümee
Für alle Fachkräfte, die sich in der Praxis professionell mit Lerncoaching beschäftigen, bietet das umfassende, breit aufgestellte Lerntraining LeJA sehr gute Möglichkeiten Jugendliche mit Aufmerksamkeitsproblemen zu unterstützen, schulisches und auch ausbildungsrelevantes Leistungsverhalten zu verbessern und entwicklungsbezogene Probleme zu minimieren. Aus meiner Sicht ist dieses wissenschaftlich fundierte, sorgfältig zusammengestellte und gut handhabbare Behandlungskonzept für die genannten Professionen sehr zu empfehlen.
Heike Kaiser
Diplompädagogin M.A., Integrative Lerntherapeutin, Coach
aus neue AKZENTE 108/2017