Das schmale Büchlein vom Carl-Auer-Verlag ist im Rahmen der „Spickzettel für Lehrer“ erschienen.
Diese Reihe ist v.a. dem Gedanken einer systemischen Beratung und Therapie im Hinblick auf Schule und Unterricht verpflichtet. Es geht in dieser Reihe vor allen Dingen darum, sich als Lehrkraft der eigenen Haltung gegenüber Schülern, sich selbst, Kollegen und dem Schulsystem bewusst zu machen, um sie ggfs. zu modifizieren bzw. Probleme umzudeuten und eigene Ressourcen herauszuarbeiten.
Das Büchlein „Mit ADHS und Freude durch den Schulalltag“ versucht einen freundlichen Blick auf Schüler mit ADHS zu lenken und positive freudige Aspekte im Unterricht mit diesen Kindern herauszuarbeiten. Das Buch setzt also an den Ressourcen der ADHS-Schüler an und macht Lust auf die Arbeit mit ihnen, wobei es Lehrkräften ausdrücklich Mut machen will, ihre eigenen „Leadership-Qualitäten“ zu erkunden und auszubauen, frei nach dem Motto „leiten und nicht leiden“.
Die Ansätze dieses Büchleins lassen auf ein profundes Wissen der Autorin schließen, das neben einer wissenschaftlichen Basis (Diplom-Psychologin, VT-Psychotherapeutin, diverse Coach-Ausbildungen, eigene Praxis mit dem Schwerpunkt ADHS) auch auf einer gewissen Alltagstauglichkeit aufbaut – die Autorin ist fünffache Mutter.
Frau Reinicke beschreibt die Symptomatik und die Ursachen von ADHS alltagstauglich und stellt die möglichen Reaktionen auf den Prüfstand und zeigt, welche Elemente sich sinnvoll anwenden lassen. Ihr geht es um eine lösungsorientierte Kommunikation, die ein effektives und freudvolles Lernen erleichtert, indem man Probleme in Ziele umwandelt und so aus der ständigen Suche nach Fehlern ein Entdecken von vielen kleinen Erfolgen wird.
Ihr geht es darum, den Stress von Lehrkräften und damit auch von Schülern zu reduzieren und den Selbstwert bei allen Beteiligten zu stärken. Übungen zur Selbstreflexion und zur Selbstfürsorge unterstützen Lehrer beim Führen von Klassen bzw. Lerngruppen wie bei der eigenen Lehrergesundheit. Das Büchlein versucht tatsächlich an den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen von Lehrkräften anzusetzen, die im Kontakt mit ADHS-Schülern sind.
Etwas offen bleibt die Frage, wie die Umsetzung des guten Umgangs mit ADHS-Schülern gelingen kann im komplexen Setting einer großen, heterogenen Klasse, mit dem Fachlehrerprinzip, dem 45-Minuten-Takt, den zahlreichen Vertretungssituationen, den offenen Unterrichtssituationen, den permanenten Leistungs- und Anpassungsanforderungen…
Ich empfehle dieses Buch Lehrkräften, die auf der Suche sind nach konstruktiven, lösungsorientierten Ansätzen beim Umgang mit ADHS-Schülern, die sich aber auch gleichzeitig mit eigenen Trigger-Punkten beim Thema ADHS auseinanderzusetzen wollen, um trotz aller Schwierigkeiten auf ihr Wohlbefinden, ihre Freude und ihre eigene Gesundheit achten wollen. Gelingt es hier, die eigene Perspektive auf die Thematik positiv zu verändern und das eigene Verhalten zu verändern, ist der Ansatz von Frau Reinicke sicherlich sehr nachhaltig. Vielleicht entsteht sogar bei einigen Lehrerinnen und Lehrern sogar der Wunsch einmal ein ADHS-Coaching zu besuchen.
Johanna Schmotz