Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen
Das Buch schließt eine Lücke, da es bisher nur wenige Anleitungen für die Durchführung von Patienten- und Angehörigengruppen gab.
Im klinisch- wissenschaftlichen Teil erhält der Leser eine aktuelle Information über ADHS, die Diagnosestellung und die Behandlungsmöglichkeiten. Auch auf den Stellenwert der medikamentösen Therapie und deren Durchführung wird eingegangen.
Neu ist der Schwerpunkt auf Psychoedukation und Coaching. Beide Ansätze werden für das Krankheitsbild störungsspezifisch entwickelt. Da in der BRD viel zu wenig medizinische und psychologische Fachkompetenz zur Behandlung der ADHS bei einer Prävalenzrate von 2-4% der erwachsenen Bevölkerung vorhanden ist, macht der Ansatz Sinn, nicht nur auf Einzelpsychotherapie zu setzen. Gerade die besondere Problematik bei ADHS verlangt ein stark strukturiertes und psychoedukatives Vorgehen. Es geht dabei nicht darum, die Kindheit ausführlich zu beleuchten oder Psychotraumata aufzuarbeiten, sondern den Alltag und das ganz normale Leben in den Griff zu bekommen. Betroffene profitieren davon, konkrete Problemlösestrategien vermittelt zu bekommen, dies besonders im Hinblick auf die Themen Selbstorganisation und Selbstkontrolle.
Gruppentherapie eignet sich bei ADHS ganz besonders. Dies zum einen, weil Betroffene sich oft stigmatisiert und ausgeschlossen fühlen und sie sehr schmerzhafte Erfahrungen des „ Anderseins“ haben. Zum anderen eröffnet auch die Gruppe Erfahrungen mit dem ADHS der anderen und kann damit eine Art Selbstreflexion und Selbsterkenntnis einleiten. Es stellt oft eine große Erleichterung dar, zu erfahren, dass auch andere ähnliche Probleme haben und dass das Scheitern, das Betroffene so oft im Leben erfahren haben, einen Namen hat: nämlich ADHS. Psychoedukation und Coaching bedarf auch nicht unbedingt fachärztlicher oder psychologischer Kompetenz, sondern es verlangt ausgebildete Menschen, die Erfahrung im Coaching und in Gruppenleitung haben und sich auch auf dem Gebiet ADHS und der besonderen Problematik gut auskennen.
Hilfreich in dem Buch ist das sehr strukturierte Vorgehen mit ausdruckbarem, übersichtlichem und gut anwendbarem Lehrmaterial. Das Modul bezieht sich weitgehend auf das von Herrn Hesslinger und Frau Philipsen in Freiburg entwickelte Therapiemanual, das bereits auch evaluiert wurde und sich aus der Therapie der Borderlinestörung von Marsha Lineham ableitet.
Auch die Anleitung für die Angehörigengruppe ist gut verständlich und nützlich. Viel zu lange haben wir vergessen, dass auch Angehörige von ADHS-Betroffenen in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt sind und dass sie auch Anleitung brauchen ADHS-Betroffene zu verstehen, mit ihnen täglich umzugehen und das gesammelte Chaos zu ertragen.
Neue Wege beschreitet der Verlag, in dem er online Folien und Merkblätter zur Verfügung stellt, die mit dem im Buch befindlichen Code abgerufen werden können.
Insgesamt ein praktisches und unverzichtbares Buch für alle, die Gruppentherapien für Betroffene und Angehörige anbieten wollen. Es reduziert so viel Arbeit, wenn man bereits erstelltes Material, Listen und Skizzen verwenden kann. Die Arbeit mit ADHS-Betroffenen ist sowieso schon anstrengend genug.....
Dr. Astrid Neuy-Bartmann
neue AKZENTE Nr. 82/2009