Verhaltensprobleme in Familie und Schule erfolgreich meistern
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Das Buch ist in einem handlichen Format gehalten. Der Preis von 19.90 € entspricht Aufmachung und Umfang. Die Lektüre versteht sich als Elternratgeber für ADHS; betitelt: Verhaltensprobleme in Familie und Schule erfolgreich meistern.
Mein erster Eindruck, bevor ich das Lesen beginne: Die Seitenränder sind sehr schmal, die Schrift klein gewählt. Das Seitenlayout gibt einer Menge Buchstaben Raum, das macht das Lesen anstrengend. Die Auswahl einer Schriftart mit Serifen, macht es nicht einfacher. Für einen Ratgeber, außerhalb fachlicher Studien, würde ich mir eine „elternfreundliche“ Aufmachung wünschen. Hier auch vor dem Hintergrund, dass Eltern ohnehin überlastet sind, vielleicht auch selbst betroffen. Vielleicht kann man nicht nur Experte werden, wie von den Autoren versprochen, sondern muss es schon ein wenig sein.
Das Inhaltsverzeichnis ist recht umfangreich, mit vielen Unterpunkten, die Zuordnung zeitweise verwirrend. Farblich blau gewählte Überschriften und eine Vielzahl an Tabellen, Abbildungen und farblich unterlegte oder eingerahmte Textabschnitte lockern das Schriftbild auf.
Die im Buch beschriebenen Informationen, Handlungsperspektiven und Umsetzungserklärungen stammen aus jahrelanger Praxis und entsprechendem Sammeln von Erfahrungen in der psycho-therapeutischen Arbeit mit Kindern mit ADHS und deren Familien. Aufbauend auf dem Gruppentrainingsprogramm für Eltern von ADHS Kindern entstand das halbstandardisierte Würzburger Elterntraining, das hier in komprimierter Form dem Leser Einblicke erlaubt. In jeweils 14 Sitzungen wurde dieses Training bereits 40 Mal durchgeführt. Das Buch enthält eine Vielzahl von Handlungsmodellen und Anleitungen, die dazu dienen, Eltern Basiswissen und Werkzeug an die Hand zu geben, den Alltag „erfolgreicher“ zu gestalten. Die Autoren sind deutlich bemüht, ihr erarbeitetes Repertoire an den Leser weiterzugeben. Das Thema „Alltag mit ADHS“ wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, um Symptomatik und Problemstellung zu erfassen. Das Buch baut auf Grundkonzepten der Verhaltenstherapie auf, und zielt darauf ab, Mütter und Väter zu Experten zu machen. Der Leser erhält hilfreiche Strategien, um alltagstypische Ereignisse mit hyperaktiven Kindern positiv zu beeinflussen. Konstruktive Anregungen erfahren ihre Herleitung aus 15 Jahren Elterntraining. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Verbesserung der Beziehung zwischen Eltern und Kind. In der Veränderung von Verhalten liegt der Erfolg Lern- und Leistungsproblematik zu mindern. Der Ratgeber beschäftigt sich mit 5 Schwerpunkten.
Im 1. Teil des Buches geht es um die Ausgangssituation; welche Herausforderungen stellt der Alltag an Eltern? Deutlich wird beschrieben, dass die Gesamtsituation der Familien mit ADHS zu Überforderungen aller Beteiligten führt und man Lösungsansätze großräumig erfassen und vielfältig gestalten muss. Durch Beobachtung und visuellem Festhalten in Sammellisten sind Eltern aufgefordert, ihren Alltag detailgetreu zu beschreiben und haben somit die Möglichkeit, außerhalb situativer Gegebenheiten, ihr Tun zu reflektieren und zu überprüfen. Anhand von Tabellen erhalten Eltern Einblicke in Problemhäufigkeiten von Kindern. Um hier eine reelle Einschätzung zu gewinnen, ist eine Kontrollgruppe - mit Kindern ohne ADHS - Teil der Studie. Beobachtungsaufgaben helfen der Bearbeitung des Ist-Standes.
Im 2. Teil des Buches geht es um Basiswissen zum Thema ADHS. Die Einführung in das Grundlagenwissen beginnt mit beispielhafter Darstellung von Kindern mit ADHS. Sehr detailliert werden einzelne Punkte der Symptomatik aufgeführt; Reaktionen und Verhaltensweisen, die in der Gegenwart als ADHS typisch bezeichnet werden. (Z .Bsp. zu Aufmerksamkeit, Impulsivität, Hyperaktivität). Im Anschluss werden die Symptomatik - Kriterien der Hyperkinetischen Störung nach ICD 10 und DSM IV vorgestellt. Auf relativ fachlichem Leseniveau werden Ursachen erklärt und folgend Einblicke in die Verhaltenslehre ermöglicht. Im dritten Kapitel liegt der Schwerpunkt im Erkennen und Analysieren von Situationen und in der Maßgabe Veränderung anzubahnen. Deutlich wahrnehmbar ist die behutsame Herangehensweise an den täglichen Anspruch, der an Eltern gestellt wird und die Betrachtung von Elternverhalten, ohne Wertung und in Szene setzen von Misserfolg. Zu den Themen gehören Zuordnung von Hauptschwierigkeiten, begreifen von Konfliktsituationen, sichten von Strafen und sinnvolles Festlegen von erreichbaren Zielen (Vorausdenken, realisieren von Zusammenhängen und Übertragung von plausiblen Verknüpfungen inbegriffen). Der Leser erfährt zusätzlich unterschiedliche Mittel positiver Verhaltensverstärker. Im 4. Abschnitt werden hilfreiche Maßnahmen zur Verfügung gestellt, um den Alltag zu strukturieren. Die nächsten Seiten zeigen Inhalte und Wirkungen gesellschaftlicher Vorgaben auf und den Versuch der Bewältigung. Sinnhaftigkeit elterlichen Tuns steht in Abhängigkeit familiärer Rahmenbedingungen. Auch wird auf die klassischen Schulprobleme hingewiesen. Der 5. Baustein beschreibt theoretische Ansätze zu Wahrnehmung, Eigenreflexion und Hinwendung zu positiver Psychologie. Dies im Sinne von Selbstfürsorge und Gewinnung von tragfähiger Alltagsbewältigung. Positive Gedanken als Energiespender, zur eigenen Stabilisierung, um Motivation eine Chance zu geben.
Das Buch vermittelt eine Menge Ratschläge, Erfahrungsbeschreibungen und Hilfsmittel. Im Detail gut benannt, sind alle typischen ADHS Aspekte eingefangen worden. Die lange Beschäftigung und vielfache Bearbeitung ist spürbar. Aus Autorensicht wird darauf hingewiesen, dass es ratsam ist das Buch wirklich durchzuarbeiten und nicht stichpunktartiges Leseverhalten vorzuziehen. Einige Themen sind sehr fachlich aufbereitet. Das soll nicht heißen, dass man Eltern Kompetenzen abspricht, aber auch eigene Erfahrung zeigt, dass man sich schnell in einem gewohnten Sprachlevel befindet, der durch das eigene Fachgebiet vorhanden ist und sich nicht immer auf dem normalen, durchschnittlich verständlichem Formulierungsniveau befindet.
Da die Ankündigung der Bearbeitung von Verhaltensproblemen sich auf Familie und Schule bezieht, kommt meiner Ansicht nach das Thema Schule ein wenig zu kurz. Wenn wir uns in Themen der Verhaltenslehre bewegen, ist der Part der Schule ein komplexes Thema, das im Leben der Kinder einen immensen Raum einnimmt und in den familiären Rahmen eingreift. Das alleinige Aufzeigen von schulspezifischen Auffälligkeiten und evtl. Möglichkeiten von Reaktion von Seiten der Schule, bringt den Leser hier nicht unbedingt weiter. Letztendlich fehlt mir ein wenig das Aufzeigen natürlicher Grenzen und die Erlaubnis zielorientiert Umwege zu gehen. Ein interessantes Buch mit vielen sehr nützlichen Hinweisen. Hier der Hinweis der Autoren, dass es sich um eine Komprimierung der Erarbeitung handelt. Ratgeber stehen immer unter dem Verdacht, Gesamtlösungen herbeiführen zu können und Probleme zu eliminieren. Im Prinzip ist jeder grundlegend Experte seiner selbst. Experte in einem Fachgebiet zu werden, stellt dagegen eine enorme Anforderung dar. Jede Familie hat ihre eigene Geschichte und ein dazu gehöriges Umfeld. ADHS – ein unüberschaubares Gebiet an Ausprägung und Wechselwirkung. So kann ein Ratgeber immer nur ein Ratgeber sein und sollte mit Bedacht gelesen werden. Kein anderes Printmedium erreicht diese Nähe zum eigenen Alltagsleben. In hilfreichen Tipps, guten Anmerkungen, bewährten Erfahrungen, einem Gefühl von Sicherheit und Halt. Der Leser erfährt grundsätzlich einen eigenen Wiedererkennungswert. Die Individualität liegt zwischen den Zeilen und die Umsetzung letztendlich in eigener Regie.
Dipl. Des. Astrid Bojko-Mühr
aus neue AKZENTE 107/2017