- Kinder, die durch Entwicklungsverzögerungen, nicht altersgemäßes Verhalten und Lernstörungen auffallen,
- Jugendliche, die wegen ihrer Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme nicht die Schulabschlüsse erreichen, die ihrer Intelligenz entsprechen und die deshalb auch Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden,
- Erwachsene, die unter Unruhe, Stimmungs- und Leistungsschwankungen leiden, die Schwierigkeiten in sozialen Bereichen und bei der Organisation ihres Alltags haben, leiden häufig an ADHS.
Kinder mit ADHS fallen oft schon sehr früh auf. Es beginnt manchmal bereits in der Schwangerschaft mit vermehrter Unruhe im Mutterleib. Als Säuglinge fallen sie durch häufiges Schreien, Schlafstörungen, Tonusauffälligkeiten, Koordinationsstörungen, Fütter- und Gedeihstörungen, Ablehnung von Körperkontakt auf. Als Kleinkind erhöht sich oft die motorische Unruhe. Hinzu kommt eine gewisse Rastlosigkeit, Reizsuche und Reizoffenheit, mangelnde Ausdauer, geringe Frustrationstoleranz mit Wutausbrüchen. Schon jetzt ist oft eine Unfallhäufigkeit festzustellen.
Im Kindergartenalter kommt die mangelnde Akzeptanz von Regeln und Anforderungen, das mangelnde Erfahrungslernen, Impulsivität und Distanzlosigkeit hinzu. Sie haben Schwierigkeiten, sich im sozialen Umfeld zu integrieren. Durch ihre schweifende Aufmerksamkeit und verminderte Konzentrationsfähigkeit, mangelnde Ausdauer, schlechte Handlungsorganisation und Vermeidungsverhalten sind Probleme im Vorschulalter und später in der Schule vorprogrammiert. Das Vollbild ADHS zeigt sich zum Ende der Kindergartenzeit.
In der Schule kommen Selbstwertprobleme, Lernschwierigkeiten, Antriebsprobleme und Vermeidungsverhalten hinzu. Arbeitsgeschwindigkeit und Sorgfalt lassen zu wünschen übrig, die Schrift ist unleserlich und Disziplinprobleme erschweren alles noch viel mehr.
Im Jugendalter setzt sich die ADHS oft mit einer veränderten Symptomatik fort. Die Hyperaktivität, falls sie vorhanden war, verschwindet jetzt meistens und oft macht sich ein ausgeprägtes Desinteresse (Null-Bock-Mentalität) breit. Die Kernsymptome, die sozial/emotionale Reifeverzögerung, schlechte Handlungsorganisation, und vor allem die innere Unruhe bleiben jedoch bestehen. Hinzu kommt die Überlagerung mit pupertätstypischen Problemen. Jugendliche, die bereits als Kinder aggressiv und sozial auffällig waren, entwickeln gehäuft dissoziales Verhalten. Bei manchen wird auch eine Neigung zu Alkohol- und Drogenproblemen beobachet.
Mädchen, die bis dahin zwar verträumt, aber sonst unauffällig waren, zeigen nun erste Anzeichen begleitender Störungen, oft Essstörungen, aber auch Ängste oder Depression.
In der Ausbildung bzw. im Studium sind die Aufmerksamkeits- und Impulsivitätsstörung, die Desorganisation, emotionale Instabilität, die geringe Ausdauer und Frustrationstoleranz sowie die Anpassungsschwierigkeiten weiterhin problematisch und können zu Abbrüchen und Wechseln führen.
Eine konstitutionelle Prägung bleibt lebenslang bestehen, wie z. B. Reizoffenheit, Neigung zu emotionaler Übersteuerung, geringe Frustrationstoleranz, Konzentrationsprobleme und Schwierigkeiten bei der Organisation des Alltags. Beim Erwachsenen können weiterhin oft quälende Langeweilegefühle, ständige Reizsuche, ein ungebremster Redefluss oder die Neigung zu Überfokussierung das Störungsbild kennzeichnen. Oft ist eine gewisse Umtriebigkeit und Verwicklung in Turbulenzen zu beobachten. Dies zeigt sich auch in der Berufswahl. Berufe mit größeren Freiräumen und weniger festgeschriebenen Arbeitsabläufen werden bevorzugt gewählt.
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wurde lange Zeit ausschließlich als Erkrankung des Kindes- und Jugendalters angesehen. Mehrere Langzeitstudien belegen aber inzwischen etwas anderes: Bei etwa 35 - 60 % der betroffenen Kinder setzt sich die Störung bis in das Erwachsenenalter fort. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn früher bei ADHS-Patienten häufig eine Persönlichkeitsstörung (fehl)diagnostiziert wurde.
»Erwachsene Menschen mit ADHS sind zwar für Behandler kein Novum - dennoch sind Behandlungssicherheit und Gewissheit in der Diagnostik noch immer nur bei einzelnen, erfahrenen Therapeuten zu finden, beim überwiegenden Teil der Behandler jedoch noch nicht.
Die angemessene Versorgung erwachsener Menschen mit ADHS ist keineswegs gesichert. Es wäre für die Betroffenen außerordentlich wünschenswert und gleichzeitig ein großer volkswirtschaftlicher Gewinn, wenn es in großem Umfang gelänge, diese Patientengruppe konsequent zu erfassen und zu therapieren. Dann könnte eine sehr große Zahl von Menschen wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Vielen Langzeitstudenten gelänge es, das Studium endlich erfolgreich abzuschließen. Viele Männer und Frauen könnten geduldigere und liebevollere Väter und Mütter sein.
Mitten unter uns existiert eine große Zahl von Menschen mit ADHS. Sie leben unter einem hohen Leidensdruck - viele scheitern. Sie können sich selbst weder verstehen noch ertragen.«
Zitat aus: Sabine Bernau - Alles über ADS bei Erwachsenen