Hintergründe und Diagnose - Materialien für Unterricht und Schulalltag - Hilfen für Elterngespräche
Fit trotz AD(H)S, Klasse 1-4 - mit CD
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich vor dem Lesen zunächst eine vorgeprägte Meinung hatte, was mich womöglich inhaltlich erwarten würde.
Als Mutter zweier Grundschulkinder, eins davon eben ein besagter ADHS Wirbelwind, hatte ich bereits so manche Erfahrung mit Lehrkräften bezüglich des Umgangs mit ADHS gemacht. Sowohl überaus positiv als auch eben leider negativ. Was blieb war die Erkenntnis, dass es weder Standards noch eine klare Vorgabe gibt, wie mit Kindern mit ADHS in der Schule umzugehen ist. Es bleibt also im persönlichen Ermessen der Lehrkraft welche Mittel eingesetzt werden und welche nicht. Dies hinterlässt in Eltern eine gewisse Hilflosigkeit.
Dieses Buch könnte ein sehr gutes Hilfsmittel und Standardwerk für Lehrkräfte sein. Aber für Eltern kann es eine gute Basis für Diskussionen mit Lehrkräften sein.
Zunächst wird auf die Definition von ADS und ADHS eingegangen und die verschiedenen Problematiken werden beschrieben. Die Entstehung, Diagnostik und Medikation sind kurz aber umfassend genug beschrieben. Man erhält einen guten Überblick über das Störungsbild und seine Auswirkungen.
Der Praxisteil ist sehr ausführlich beschrieben und es werden zahlreiche, realistische Schulsituationen exemplarisch dargestellt:
- Verdacht und Kriterien
- Elterngespräche
- Zusammenarbeit mit dem Schüler
- Situationen im Unterricht; sowohl „Träumer“ als auch „Zappelphilipp“
- Belohnungen
- Konsequenzen
- Schulhof
- Umgang mit Eskalationen
- Teilleistungsschwäche wie LRS oder Dyskalkulie
Die jeweiligen Kapitel enthalten neben einer genauen Beschreibung und Tipps für die Lehrkraft auch konkrete Hilfepläne oder Kärtchen. Diese Blätter können mit Hilfe der beiliegenden CD einfach ausgedruckt und laminiert werden. Nach Absprache mit den Eltern und dem Schüler könnten sie direkt eingesetzt werden.
Zusätzlich zu den bereits gestalteten Materialien sind hilfreiche Tipps für die Lehrkraft enthalten, wie der persönliche Umgang mit dem ADHS betroffenen Schüler optimal aussehen kann. Eine positive Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler wird korrekterweise als sehr wichtig dargestellt. Die im Umgang mit den herausfordernden Kindern mit ADHS notwendige Abgrenzung wird ebenfalls beschrieben. Nicht persönlich nehmen, wenn mal das eine oder andere unfreundliche Wort fällt. Der Schüler meint es keineswegs böse, sondern kann manchmal einfach nicht anders. Die positive Haltung gegenüber den Kindern -durchgängig in allen Schulen – das wäre großartig!
Insgesamt ist es ein überaus informatives Buch mit sehr hilfreichen Materialien und Vorschlägen. Wie eingangs auch im Buch erwähnt, sitzen in einer Klasse durchschnittlich 2-3 Kinder mit einer ADHS Diagnose oder ADHS Symptomen. Die Lehrkräfte sollten also ein eigenes Interesse haben, den Unterricht so zu gestalten, dass diese Schüler möglichst gut integriert werden. Ist das nicht der Fall, ist der Aufwand für die Lehrkraft umso höher UND der Schaden für en Schüler unter Umständen groß. Zumal die beschriebenen Vorschläge auch für Schüler ohne ADHS interessant sind und nicht einen immens hohen Aufwand bedeuten.
Dies könnte im Buch noch stärker betont werden. Es sollte insgesamt nicht eine Sache der Freiwilligkeit sein für Lehrkräfte sich mit ADHS oder anderen Störungsbildern auseinander zu setzen, sondern ein selbstverständlicher Teil ihrer Tätigkeit. Dazu gehört unbedingt diese Inhalte mit in die Lehrerausbildung zu integrieren. Nach der Grundschulzeit hört ADHS nicht auf und die Erfahrungen, die Schüler in dieser Zeit gemacht haben, können sich positiv oder negativ auf die weitere Schullaufbahn auswirken. Im optimalen Fall gelingt es während der Grundschulzeit schon gewisse Routinen und Hilfsmittel dauerhaft einzusetzen, so dass der Schüler diese weiterhin selbständig anwenden kann. Dafür liefert das Buch sehr gute Vorlagen.
Yvonne Freier