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Du darfst nicht alles glauben, was du denkst

Meine Depression

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Du darfst nicht alles glauben, was du denkst
Kurt Krömer
Verlag
Kiepenheuer & Witsch
ISBN-Nummer
978-3-462-00254-6
Preis
20, 00 €

Es gibt Depressionen, ja. Aber niemand hat das. So gehen wir im Allgemeinen mit dem Thema um, allen voran die Depressiven selbst. Das ist eine Parallelität zu ADHS.

„Ich bin nicht schwul“, stellt Alexander Bojcan alias Kurt Krömer fest“, aber ich kann mich so gut in die Situation reinversetzen, dass man etwas mit sich rumträgt, was keiner wissen darf, dass man eine Geschichte hat, die man den anderen nicht erzählt. Dass man lügt.“ Viele Jahre versucht er mit dieser „Lüge“ zu leben, umgeht und meidet sie. Dabei sind die Hinweise offensichtlich. Seit 10 Jahren ist Bojcan trockener Alkoholiker; Alkoholismus ist eine, wohl die typische Begleiterkrankung bei Depressionen.

Der Druck, zu vertuschen, verdrängen und auszuweichen ist freilich bei ihm besonders hoch: Er, der lustige Berliner Comedian, kann es sich einfach nicht leisten, nicht lustig zu sein. Als er endlich mit 47 ausspricht, dass es ihm nicht im Geringsten gut geht, als er aufhört, sich selbst und die Welt zu belügen, ist das für ihn ein Outing. Und der Beginn einer Heilung. Endlich.

Der erste Schritt zur Heilung ist der, sich einzugestehen, dass man ihrer bedarf. „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ ist ein ehrliches, aufrichtiges und darin ungemein heilsames Buch. Alexander Bojcan hat sich spät die Erlaubnis gegeben, zu sagen, was mit ihm wirklich los ist. Das ist ermutigend und befreiend. In bekannter Kodderschnauzenmanier erzählt er seine Depressions-Lebensgeschichte, die doch so sehr die Geschichte vieler anderer ist.

Es gibt zwei Gründe für ADHS-Betroffene dieses Buch zu lesen: Zum einen der bereits erwähnten Parallelität wegen. Es gibt ADHS, ja, aber niemand hat das. ADHS wird wie eine Depressionserkrankung als Betriebsstörung aufgefasst, als ein Nicht-Normalsein. Zu seinem Nicht-Normalsein zu stehen, bedeutet Mut. In der Tiefe einer Krise ist es sehr, diesen Mut zu finden. Dieses Buch ermutigt. Der zweite Grund ist, dass so wie Alkoholismus typischerweise eine Depression verdeckt, Depressionen vielfach ADHS überlagern. Es wird ADHS-Betroffenen nicht schwerfallen, sich in den Autor hineinzuversetzen.

Zum Schluss möchte ich allerdings auf einen wichtigen Unterschied zwischen ADHS und Depression aufmerksam machen: ADHS und Depression zeigen viele Parallelitäten. Aber ein und dasselbe sind sie nicht. Eine Depression ist eine behandlungsbedürftige Erkrankung. ADHS kann in eine behandlungsbedürftige Erkrankung führen, ist es aber nicht grundsätzlich. Im Gegensatz zu Depression verfügt ADHS über viele positive Möglichkeiten, die, so man sie ergreifen kann, einen Betroffenen erfüllen und bestätigen. Das macht die Lektüre von „Du musst nicht alles glauben, was du denkst“ doppelt ermutigend.

Uwe Metz