Mit Kindern über Körper, Gefühle und Sexualität sprechen - Für Eltern von Kindern von 0 bis 10
Um es gleich vorweg zu schicken: Ich schreibe hier über mein eigenes Buch „Aufklärung von Anfang an“. In dem Ratgeber für Eltern von Kindern von 0 bis 10 Jahren ist es mir ein Anliegen, unterhaltsam, fachlich fundiert und nahbar zu erklären, wie Kinder von klein auf einen sicheren Umgang mit dem Thema Sexualität finden – wobei ich natürlich vor allem Eltern sicher machen möchte im Umgang mit dem komplizierten Thema. Ausgerechnet hier stelle ich das Buch vor, weil Aspekte wie Grenzen, Nähe und Selbstwert für ADHS- und ADS-Kinder besonders wichtig sind – sie spielen auch bei sexuellen Fragen bis hin zu Grenzverletzungen eine Rolle. Gut also, wenn Erwachsene, die Kinder beim Großwerden begleiten da gut gerüstet sind.
Aber erst einmal stelle ich mich kurz vor: Ich bin langjährige Autorin und Journalistin, dazu studierte Sexualwissenschaftlerin und inzwischen in der Präventionsarbeit tätig, und ich berate Eltern und Erwachsene mit Systemischer Beratung zum Thema. Eine meiner beiden Töchter war der Anlass, zu ADHS Deutschland zu stoßen.
Vorausschicken möchte ich noch, dass Titel des Buches nicht bedeutet, dass Eltern „von Anfang an“ und „über alles“ reden sollten. Stattdessen geht es darum, dass Erziehende, aber auch Fachkräfte die wichtigen psychosexuellen Entwicklungsschritte rund um Sexualität in den ersten 10 Lebensjahren kennen und Kinder so achtsam und sicher begleiten können.
Das Buch zu schreiben war für mich eine Herzensangelegenheit, weil ich immer wieder erlebe, dass Kinder besser in den Körper hineinwachsen und Gefühle einordnen können, wenn sie sicheres Wissen dazu haben. Und wenn sie generell erleben, dass sie mit ihren nächsten Bezugspersonen über die oft verwirrenden Botschaften zu Körper, Liebe und Fruchtbarkeit sprechen können und dürfen. Deshalb ist achtsam vermitteltes Grundwissen zu „Wo kommen die Babys her?“ wichtig bis zu: „Was ist im Intimbereich in meinem, mit Körpern generell los?“, was darf man da, was nicht. Es geht aber auch darum, Geschlechterrollen einzuordnen und mit offenherzigen Bildern aus den Medien umgehen zu lernen genau wie mit sexualisierten Schimpfworten in Kita und Schule.
Startpunkt fürs Buch war auch die Beobachtung, dass wir Eltern uns meist für total entspannt im Umgang mit Sexualität halten – so lange, bis das Kind vor uns steht und ganz persönlich fragt. Plötzlich weiß man doch nicht mehr so genau, wie man jetzt kindgerecht antworten kann. Und viele Erwachsene verschieben das Thema, „bis das Kind fragt“ (das tun manche nie), „bis die Pubertät kommt“ (das ist zu spät) oder bis zum „großen Gespräch“ (viele kleine Hinweise am Weg sind kind- und entwicklungsgerechter).
Aber warum passt das Buch hierher? Ich glaube, das Thema ist gerade für Familien, die mit AD(H)S zu tun haben spannend. Zum einen, weil ich in Broschüren von ADHS Deutschland für und um Familie, Partnerschaft und Mädchen und Frauen mit ADHS viele Hinweise dazu fand, wie schwierig es ist für ADHS-Kinder, körperliche Grenzen einzuhalten, wie anfällig ein angeknackstes Selbstwertgefühl sein kann, sodass man vielleicht einem vordergründig „lieben“ Erwachsenen oder einem älteren Kind mehr erlaubt, als richtig wäre.
Auch anders herum passt es: Gerade ADHS-Kinder gehen mit ihrer mangelnden Impulskontrolle oft (zu) schnell über Gefühle und Grenzen anderer hinweg. Sie haben Mühe, Nähe und Distanz in Beziehungen gut auszutarieren, sich konstant und berechenbar zu verhalten. Also ist es gerade für sie gut, wenn Eltern Gewicht legen auf den Umgang damit. Auch die Wahrnehmung des eigenen Körpers zu stärken, Gefühle, Anforderungen durch Schönheitsideale einzuordnen kann betroffene Kinder nur stärken.
Ich gebe im Buch viele Anstöße dazu, wie wir Eltern im Alltag mit kleinen Weichenstellungen eine klarere Haltung zu Grenzen und sexuellen Themen erst für uns finden und dann den Kindern vermitteln. Und natürlich findet man außerdem spannende Kapitel zu Fragen, die alle Eltern interessieren, wie zum Aufreger-Thema Doktorspiel, zu guten Grenzen, Schutz vor Missbrauch und zum Umgang mit der Neugier rund um die Genitalien. Auch dazu, was hier die richtigen Worte sind und wann Kinder sie kennen sollten. Insgesamt wird klar: Schon wenn Eltern zeigen, dass man „darüber“ achtsam miteinander sprechen kann, helfen sie ihren Kindern in deren Entwicklung. Nach der Lektüre geht das viel einfacher.
Christiane Kolb